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Krankenhaus in Batumi

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Als Langzeitaufenthalter fragt sich jeder mal wie es um die medizinische Versorgung im Notfall bestellt ist.

Auch mich hat dieser Gedanke schon seit einiger Zeit begleitet. Ende letzter Woche war es dann so weit. Ich wollte einen Trockentest eines Krankenhauses machen um selbst einen Eindruck zu bekommen. Ich hatte an meinem linken Arm noch ein kleines, unauffälliges Muttermal, dass ich schon länger aus kosmetischen Gründen entfernen wollte. Muttermale hatte ich auch schon in Österreich, Deutschland und der Schweiz entfernen lassen, so dass ich einen guten Quervergleich ziehen können würde.

Tag 1: Operation

Ich teilte meinen Wunsch meiner georgischen Assistentin mit und hatte zwei Tage später einen Termin in einer Privatklinik beim Chefarzt.

Am Operationstag war ich nervös. Ich betrat die Klinik mit einem russischen Übersetzer. Die Klinik war so wie ich sie erwartet hatte. Für georgische Verhältnisse sehr modern. Westlichen Augen fallen sofort die kleinen Feinheiten auf, die ein georgischer Handwerker nicht sieht. Die schief angeschraubten Zierleisten, die Kabel die ohne Funktion irgendwo enden, die Schmutzabdrücke einer georgischen Hand an der Wand und so weiter.

Wir hatten einen Termin und konnten ohne Registrierung direkt zum Chefarzt. Nach kurzer Wartezeit im Wartegang kamen wir auch zum Doktor. Der Chef war ein typischer Georgier um die 60. Ein gemütlicher Kumpeltyp mit dem man gut lachen kann. Im Zimmer selbst sassen noch zwei Krankenschwestern oder eine Krankenschwester und eine Sekretärin. Mein Übersetzer und der Chefarzt diskutierten auf Russisch. Danach sah er sich das Muttermal an. Es ist nicht notwendig dieses zu entfernen, wenn ich es aber entfernt haben will kostet es 270 Lari. Gute Diagnose, dachte ich mir und wollte die ca. 65 Euro ausgeben.

Die Krankenschwester begleitete mich zur Registrierung. Weil ich den Registrierprozess nicht durchschaute sprach sie ein paar Worte mit der Registrierfrau. Danach kamen die üblichen Fragen nach Name, Alter und sonstigen Besonderheiten. Mein russischer Übersetzer lief zur Höchstform auf. Am Ende stand der Zahlvorgang. Ohne Vorauskasse keine Operation. Ich zahlte mit einer meiner lokalen Kreditkarten und mit der Bestätigung und der Krankenakte ging es zurück zum Chefarzt.

Dieser übergab mich einer Krankenschwester und diese führte mich in den OP-Raum. Mein Übersetzer durfte nicht mit. Dort bekam ich eine intravenöse Spritze mit einer dünnen Nadel. Interessanterweise bekam ich diese stehend. Mein rechter Arm war ausgestreckt und mitten in der Luft. Sie spritzte eine kleine Menge unbekannter Flüssigkeit in eine Ader knapp oberhalb meines Ringfingers in die Rückseite meiner Hand. Mir war die Vorgehensweise unbekannt, diesen oder einen ähnlichen Vorgang hatte ich in Europa noch nie erlebt. Ich hätte gerne gefragt was sie mir spritzt, aber ich konnte kein russisch und sie kein englisch. Also haben wir beide gelacht.

Nach ein paar Minuten Wartezeit im Vorraum mit meinem Übersetzer wurde ich wieder in den OP-Raum geholt. Diesmal wurde es ernst. Ich bekam Überschuhe und einen Einwegoperationskittel angezogen. Danach durfte ich mich auf den Operationstisch legen. Das Muttermal wurde freigelegt und das Operationsequipment vorbereitet. Danach wurde die Elektrode eines Pulsüberwachungsgeräts in meine rechte Hand geklebt.

Dann kam der Doktor. Schwester und Doktor zogen sich Beide sterile Handschuhe an. Sie wussten nicht dass ich vom Fach bin. Ich konnte also unerkannt beobachten, dass Beide alle Hygienevorschriften einhielten. Mein linker Ellbogen wurde grossflächig mit einer dunklen Flüssigkeit desinfiziert. Als der Doktor eine grosse Spritze bereit machte sah ich weg. Ich spürte zwei  Einstiche, den dritten spürte ich nicht mehr. Die lokale Betäubung wirkte. Etwas mutiger geworden sah ich wieder hin. Nun hatte der Doktor ein Skalpell in der Hand und schabte an mir rum. So mutig war ich dann doch wieder nicht mir das anzusehen und probierte mich in Gedanken abzulenken. Ich konnte noch eine Art Stift sehen womit er die Stelle des weggeschabten Muttermals nachbehandelte. Als ich dachte es sei vorbei und mich gedanklich löste, sah ich die Schwester zwei neue Verpackungen aufreissen. Die Wunde musste noch genäht werden. So gross war doch das Muttermal gar nicht, dachte ich bei mir, aber schon war der Faden in meiner Haut und wurde durchgezogen. Nachfragen konnte ich mich mangels Russischkentnisse sowieso nicht. Irgendwann war auch diese Prozedur vorbei. Ich bekam noch einen Verbandsbausch auf die Wunde gedrückt und ein fettes Pflaster. Danach wurde ich aufgesetzt und die Pulselektrode wurde entfernt. Es gab noch die obligatorische Frage nach Schwindel, die ich dank der guten Pantomimenvorführung der Krankenschwester erraten konnte. „Njet“, sagte ich und war stolz über mein erstes russisches Wort dass ich je gesprochen hatte. Während ich den Operationskittel und die Überschuhe auszog versuchte der Arzt mir etwas zu erklären. Irgendwann gab er auf und verschwand zum Übersetzer. Es war der Termin zur Nachkontrolle. Dieser war in zwei Tagen um 10:00Uhr. Irgendwie war ich froh dass die Prozedur vorbei war und wackelte zum Ausgang.

Es war Ende Januar und es hatte inzwischen 20 Grad und Sonnenschein. Wir hatten beide Zeit und deshalb beschlossen mein Übersetzer und ich dass wir die Operation mit einem Döner am Strand beim Meer ausklingen lassen wollten. Das Meer und die Möwen halfen mir beim Entspannen und beim Runterkommen.

Tag 3: Nachkontrolle

Zwei Tage später ging ich entspannt ins Krankenhaus und setze mich vor das Arztzimmer. Eine Frau war vor mir dran und wurde auch bald  ins Zimmer gebeten. Nach ein paar Minuten kam sie heraus und ich mache mich von meinem Platz auf den Weg. Aber dann die Überraschung. Eine ältere Georgierin drängt sich vor. Ich war etwas verdutzt und wusste nicht ob das Absicht war oder nicht. Die Türe ging vor meiner Nase zu und mein Körper erhöht den Adrenalinausstoss da er das Arztzimmer stürmen und die Frau rausjagen wollte. Meine Umgebung und mein Begleiter erkannten die Zeichen und mein Begleiter griff ein. Ich sollte Ruhe bewahren, das passiert manchmal. Ich sollte mich in richtiger Reihenfolge nahe an die Türe setzen und nicht rumbummeln wenn ich an der Reihe war. Ein Georgier sprach mit mir und schien mir einen Rat auf georgisch zu geben. Hilflos lächelte ich ihn an und bedanke mich. Verstanden hatte ich leider nichts.

Tief in meinem Gedächtnis erinnerte ich mich an meine Arztbesuche als Kind in Wien. Das war zu einer Zeit wo Ärzte noch keine Sprechstundenhilfen und Computer hatten, sondern Zeit. Man ging in die Praxis und meine Mutter fragte immer wer der letzte Patient war. Nach diesem war man dann in der Warteordnung eingereiht. War dieses System auch hier etabliert? Konnte ich daran nicht teilnehmen weil ich nicht georgisch konnte? Wieder eine Frage mehr für meine georgische Assistentin.

Die Türe ging auf und ich hatte diesmal mein Adrenalin im Griff. Die Chefkrankenschwester, die bei der Operation assistiert hatte, sah mich aus der Ecke des Zimmers heraus, stand auf und lief zu mir hinaus. Sie begrüsste mich auf georgisch und ich lächelte beruhigt. Ich ging in das Behandlungszimmer und mir zu Ehren kam eine junge Ärztin die ein paar Brocken Englisch konnte. Wir konnten die Worte „good“ und „all ok“ austauschen. Eigentlich trivial, aber trotzdem beruhigte es mich ungemein in dieser Situation. Ich weiss nicht warum. Vielleicht ware es das beruhigende Gefühl sich mitteilen zu können. Vielleicht war es auch die Organisation der Chefkrankenschwester vor, während und nach der Behandlung. Diese bewies in ihren Handlungen, dass sie Übersicht über ihren Bereich hatte und umsichtige Entscheidungen treffen konnte.

Die medizinische Behandlung war einfach. Der grosse, fluffige Verband wurde abgenommen, die Wunde gereinigt und neu desinfiziert. Ich sah dass der Arzt mit zwei Stichen genäht hatte. Danach gab es ein Pflaster das nicht klebte. Auch gut dachte ich mir. Pflaster gehen in der Armbeuge sowieso ab. Mein Begleiter und ich schlossen den zweiten Krankenhausbesuch mit einem excellenten Esspresso beim russischen Italiener und einem Döner beim aserbaidschanischen Türken ab.

Tag 6: Fäden ziehen

Am 6. Tag ging ich relaxt ins Krankenhaus. Ich fand zielsicher den Weg zur richtigen Türe und setzte mich als zweiter in die Reihe vor den Behandlungsraum. Der Doktor kam und erkannte mich sofort. Westliche Ausländer sind selten. Er rückte mich gleich auf Platz ein in der Warteschlange was mir zwar ein bisschen peinlich war, wofür ich aber auch dankbar war. Die junge Ärztin kam aus dem Zimmer und bat mich hinein. Es gab wieder Überschuhe und dann setzte ich mich auf einen Stuhl. Nun wurde die Wunde begutachtet un desinfiziert. Als Höhepunkt schabte die Jungärztin mit einem Skalpell die Nähte auf und zog sie mit den Fingern weg. Zum Abschied wurde die Wunde noch mit einer blauen Flüssigkeit eingeferkelt und ich bekam wieder ein nichtklebendes Pflaster. Kenne ich schon, dachte ich bei mir. Ich bekam ein kleines Fläschchen von der blauen Flüssigkeit und mein Dolmetscher die mündliche Gebrauchsanweisung. Die Füssigkeit alle paar Stunden auf die Wunde tropfen.

Aber dann die positive Überraschung. Das war der letzte Termin. Ich musste nicht mehr wiederkommen. Zum Feiern fuhren mein Dolmetscher und ich in ein Einkaufszentrum zum shoppen. Ich kaufte mir eine blaue Jeans. Damit man die blaue Flüssigkeit auf der Hose nicht so sieht wenn mal was danebentropft.